Wir Tillermans sind so

Einen ganzen langen Sommer hindurch hat Dicey Tillerman ohne langes Grübeln immer das getan, was getan werden musste. Und irgendwie ist es ihr auch gelungen, auf der schwierigen Suche nach einer neuen Heimat durchzuhalten, nachdem die Mutter sie und ihre jüngeren drei Geschwister verlassen hatte.

Jetzt ist das Ziel erreicht. Bei ihrer Grossmutter haben die Kinder einen Ort gefunden, an dem sie alle zusammen bleiben können.

Und doch sind damit nicht alle Probleme gelöst, wie Dicey zuerst dachte. Es gibt nicht nur finanzielle Schwierigkeiten und das Gerede darüber, dass die Grossmutter verrückt sei. Auch mit den Geschwistern ist nicht alles in Ordnung. Da ist Maybeth, die trotz grösster Anstrengung in der Schule nicht mitkommt. Und Sammy, der plötzlich unnatürlich brav ist. Oder James, der vor seinen neuen Klassenkameraden verbirgt, wie intelligent er ist.

Erschrocken stellt Dicey fest, dass ihre Geschwister ihr entgleiten.

«Festhalten», sagt Grossmutter, die im Laufe ihres Lebens die bittere Erfahrung gemacht hat, dass man Menschen verliert, wenn man nicht an ihnen festhält. Und noch etwas muss sie lernen: sich anderen zuzuwenden, die Hand auszustrecken. Für Dicey, die sich nach aussen hin «abgeriegelt» hat, ist das schwer. Nur zögernd öffnet sie sich den Menschen, die jetzt neu in ihr Leben treten. Jeff zum Beispiel, der nach der Schule Gitarre spielt. Oder Mina, die schwarze Mitschülerin, die ihr in einer schwierigen Situation ganz unerwartet zur Seite steht. Dicey macht die Erfahrung, dass Freunde wichtig sind.

Und das schwierigste an allem Neuen ist, dass Dicey zum erstenmal mit sich selbst in Konflikt gerät. Denn bei der Wiederbegegnung mit der Mutter wird Dicey noch eine weitere Kunst abverlangt: sie muss «loslassen» können. Das stürzt sie in Verwirrung. Woher soll sie wissen, wann es richtig ist, nach Menschen die Hand auszustrecken, und wann es an der Zeit ist, sich zu lösen? Es ist ein schwieriger Prozess, bis Dicey begreift, dass es dafür keine Patentrezepte gibt.