Gegen den Strom

Er hätte es sich leichter machen können –- etwa als Pfarrer einer Vorstadtgemeinde seiner amerikanischen Heimat mit dem Anspruch auf ein Auto, den Kühlschrank und einen Fernseher, in jener Zeit ein noch ungewohnter Luxus. Doch das gute, unaufgeregte Leben war seine Sache nie. Als Seelsorger einer Gesellschaft anzugehören, die mehr Geld ausgibt für Hunde- und Katzenfutter als für die Armen dieser Welt, lief seinem feurigen Geist zuwider. Er wollte hinaus in die Welt, dorthin, wo die Armut zu Hause ist. Das komfortable Theologie-Studium in den USA gab er auf und setzte es fort in einem spartanisch einfachen Seminar im belgischen Löwen (Louvain). 1957 wird der 27 jährige zum Priester geweiht. In der Hafenstadt Pusan im kriegszerstörten Korea, als Gemeindepfarrer von Songdo, nähert er sich seiner Bestimmung. Streunende Kinder, Kriegs- und Sozialwaisen, finden Unterschlupf bei ihm und den Mariahwe-Schwestern, einer religiösen Gruppe, der später die Kongregation der „Sisters of Mary“erwächst.

Aloysius Schwartz und seine Schwestern stehen allein im Kampf gegen Verbrecher und Kriegsgewinnler. Unerschrocken löckt er wider den Stachel.

Mehrmals gerät er in Lebensgefahr – und in einen gefährlichen Konflikt mit dem Bischof. Am Ende zieht sein Dienstherr den Kürzeren; die Kirche arrangiert sich mit ihrem unbequemen Sohn. Mehr noch:
Kardinal Sin, Erzbischof von Manila, lädt den widerborstigen Priester ein, auf den Philippinen ähnliche Einrichtungen für arme Kinder zu schaffen wie sie ihn in Korea beeindruckt hatten. Father Al, wie sie ihn nennen, folgt dem Ruf, gewinnt weitere Schwestern, (bezahlte) Lehrer und Ausbilder, die dort mehr als 10.000 Slum- und Strassenkinder aufnehmen und nach ihrer Zeit im Heim mit guten Chancen in ein besseres Leben entlassen.

In den frühen Jahren finanzieren amerikanische Spender die Projekte des Priesters in Korea. 1973 begegnet er in Deutschland einem ausgewiesenen Fachmann der Spendenwerbung per Post. Heute tragen Förderkreise in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwei Drittel zum Spendenhaushalt der Schwestern bei.

Doch der Pater hat nicht nur Freunde. Weitere Male gerät er in Lebensgefahr.

Er überwindet alle Widerstände, sorgt für seine Kinder, für obdachlose Alte und bis die Ärzte ihm einen frühen Tod vorhersagen. Zwei oder drei Behinderte Jahre geben sie ihm noch...

Al Schwartz startet in Mexiko ein neues Projekt, baut das erste Heim und weiht es ein, ein Zuhause für bis zu 3.000 bedürftige Kinder aus den Elendsvierteln.

1992 stirbt er im Alter von 62 Jahren an Amyotrophischer Lateralsklerose (ALS), einem unheilbaren Nervenleiden. Die Schwestern und ihre Freunde in Übersee führen sein Werk fort. Mehr als 22.000 bedürftige Kinder in Asien und Lateinamerika zählen zu ihrer Familie.