Ende einer Dienstfahrt

Heinrich Bölls gütiges Lächeln, sein verschmitztes Lachen:
Wer kennt und liebt es nicht? Er hat den Mutterwitz eines Menschenfreundes und-das ist kostbar-den Sinn für das Abstruse, aber nie ohne Wärme und Bescheidenheit, denn er kennt sich selbst und die andern, und nie ohne den gescheiten Scharfblick, denn er durchschaut die Gesellschaft, in der wir leben. Der Rundfunkredakteur Dr. Murke zum Beispiel sammelt Tonbandschnitzel mit nichts anderem als lauterem Schweigen; er hat das aufgeblasene Kulturgeschwätz berühmter Zeitgenossen satt, und trotzdem muss er es vermitteln. Und der Soldat Georg Gruhl, wie Murke, ein verträglicher, liebenswürdiger Mensch, verbrennt am Ende einer Dienstfahrt weithin sichtbar einen Jeep. Warum? Er hat den Auftrag erhalten, mit diesem Jeep so lange herumzufahren, bis das Fahrzeug den Kilometerstand erreicht hat, der aus verwaltungstechnischen Gründen wünschbar ist. Mit dieser Brandstiftung huldigt er dem Schwachsinn der Behörden. Dr. Murke und Georg Gruhl sind intelligente Rebellen. Sie machen mit, weil sie keine andere Wahl haben, aber sie sind argwöhnisch, weil sie kritisch zu hören, zu sehen und zu denken imstande sind. Mit ihnen hält Böll unseren Argwohn wach gegen alles, was den Heiligenschein des Offiziellen, des erfolgreich Anerkannten, des Institutionellen hat. Bölls gesamtes erzählerisches Werk ist ja als « Entfernung von der Truppe» zu deuten, wobei die Parteien, die Verbände, die Kirchen diese Truppen sind. Rebellisch kritisch also ist der Grundton aller dieser Erzählungen. Dass Heinrich Böll seine Kritik an der Gesellschaft nicht mit jenem tierischen Ernst, mit der fanatischen Redlichkeit anbringt, die heute so viele deutsche Dichter und Intellektuelle zur Schau tragen, das entschärft nicht, was er sagt, sondern lässt es erst vwirksam werden.