Einer flog über das Kuckucksnest

Ein unbekümmert vitaler Mensch kämpft in einer Heilanstalt, die das Modell einer totalitär beherrschten Gesellschaft ist, um sein Selbst. Herrscherin in dieser Anstalt ist die «Grosse Schwester»; sie übt absolute Macht aus, mit psychischem Terror, mit Medikamenten und Folterungen. Ihr Polizeitrupp sind drei schwarze Pfleger, die, wie sie, nur zu hassen gelernt haben, und «auf einer Hochspannungs-Wellenlänge des Hasses» steht sie mit ihrer Truppe dauernd in Verbindung. Unter perfektem Terror funktioniert in dieser Anstalt der Mensch, statt zu leben. Mein Tagesablauf ist vom Computer auf die Minute genau gesteuert: wer auch nur zu fragen wagt, was das für eine Tablette sei, die er schlukken müsse, wird als Aufwiegler gefoltert.

In dieses Netzwerk totaler Unterdrückung poltert McMurphy, eine kräftige, ungebeugte Spielernatur voller Lebenslust. Wegen seinen leidenschaftlichen Gefühlsausbrüchen und seiner Lust, mit Frauen zu schlafen, haben ihn Ärzte als Psychopathen bezeichnet. Er nimmt den Kampf gegen die «Grosse Schwester» auf, spielerisch erst, bis er begreift, welchen Gefahren er sich aussetzt. Er flösst den Insassen Mut zur Selbstachtung und zum Widerstand ein; schliesslich kämpft er hoffnungslos, aus Opfermut, als Mit-Leidender.

Die Geschichte von McMurphys Kampf gegen die «Grosse Schwester» erzählt ein Halbindianer; seit Jahren ist er in dieser Anstalt eingesperrt. Ein Mittel, sich der Vernichtung seines Ichs zu erwehren, wendet er konsequent an: Er spricht kein Wort, und das Pflegepersonal hält ihn für taubstumm. So hat er sich seine Beobachtungsgabe, seinen kritischen Verstand bewahrt: er hat den Überblick; trotzdem ist er einer der Gequälten, kann er von der «Grossen Schwester» jederzeit vernichtet werden. Seine Sprache ist deshalb leidenschaftlich bewegt und reisst den Leser in den Bann einer total terrorisierten Welt, die einmal unsere Welt sein könnte.