Die verlorene Ehre der Katharina Blum - Drei Tage im März

«Ich finde Auskünfte, die jemand über Bücher gibt, die er selbst geschrieben hat, immer peinlich. ».

Heinrich Böll, der dies zu Christian Linder gesagt hat, ist nicht leicht zum Sprechen zu bringen. Der Dichter und Nobelpreisträger, den viele als eine moralische Autorität ansehen, betont zu Beginn des während dreier Tage im März 1975 geführten Gesprächs, dass er sich nicht kompetent fühle, nicht einmal seinen eigenen Büchern gegenüber. Dass jenes Interview gleichwohl Wesentliches freilegen konnte, ist der Fähigkeit des Befragers zu verdanken, Fragen zu stellen und Probleme aufzuwerfen, von denen sich Böll unmittelbar angesprochen fühlte und die ihn zu ganz persönlichen Stellungnahmen animierten. So äussert er sich ausführlich zur Arbeit des Schriftstellers, zum Verhältnis des Autors zur Gesellschaft, zur Frage der öffentlichen Moral, aber auch zu weitergefassten Themen wie Liebe und Tod. Manches, was einem an Bölls Verhalten in den letzten Jahren unverständlich war, lernt man verstehen, wenn man dieses Gespräch, das sich spannend wie ein Roman liest, aufmerksam mitverfolgt.

Namentlich für die Beurteilung von Bölls Erzählung «Die verlorene Ehre der Katharina Blum» ist Linders Interview hilfreich. Der Zerfall der öffentlichen Meinung, der Missbrauch der Massenmedien, das Problem der Gewalt und weitere Aspekte der komplexen «Katharina»-Thematik werden in dem Gespräch noch einmal angesprochen und diskutiert. Unsere Ausgabe enthält beide Texte ungekürzt und ermöglicht es dem Leser, die dichterische Fiktion mit den unverstellten Aussagen des Autors zu vergleichen. Man wird dabei im Grundsätzlichen auf jene Übereinstimmung zwischen Leben und Werk stossen, die den echten Moralisten auszeichnet und glaubwürdig macht.