Der Nachlass des Buchhalters

Auf den ersten Blick sind es Stadtgeschichten, die H. U. Müller in seinem sechsten Buch präsentiert. Szenische Bilder im Tram, an der Bar, in urbaner Umgebung. Und wenn sie sich einmal ausserhalb abspielen, dann wird ein städtischer Gebirgshasser von zwei Bergfreaks mit dem Absingen von Heinosongs gequält («Bergvagabunden»).

Bald stösst man auch auf die skurrilen, surrealen und grotesken Situationen, in die die Protagonisten immer wieder geraten. So lässt sich zum Beispiel der pädophile Mafiaschläger Max Pott in «Drakonische Strafen» aus (fast) freiem Willen den Fuss amputieren.

Müllers Geschichten spielen vor dem Hintergrund der von Unsicherheit geprägten Jahrtausendwende. Wie immer weisen seine Stories eine politisch-kritische Meta-Ebene auf. In «Der Taliban oder die Jagd auf den Yeti» werden unter dem Eindruck der aktuellen politischen Situation wilde Fantasien frei beim Anblick eines barfüssigen Bärtigen in klirrender Kälte.

Müller zeichnet Bilder und Situationen nahe des real Denkund Vorstellbaren, die gleichwohl kaum verrückter und vertrackter sein könnten.

Die 11 Kurzgeschichten verblüffen durch immensen Einfallsreichtum und wir kommen in den Genuss einer guten Portion schwarzen Humors und Sarkasmus.