Der Herr der Erde

Die Hauptfigur dieses grossen Romans ist der mongolische Eroberer Temudjin, der unter dem Namen Dschingis-Khan als Schreckgestalt zweier Erdteile in die Geschichte eingegangen ist. Taylor Caldwell gibt mit Darstellungsmitteln, die dem historischen wie dem Gesellschaftsroman angehören, eine innere Geschichte dieses »grössten Eroberers aller Zeiten«. Die Handlung beginnt im Lager eines kleinen Mongolenstammes mit der Geburt Temudjins, bei der bereits Weissagungen dem Kind in den Augen seiner Horde das Stigma des Auserwählten verleihen. Die ersten Kämpfe des jungen Häuptlings weisen ihn als einen Mann aus, der unbeirrt durch Rückschläge und von keiner Hoffnung fortgerissen seinen Weg geht, die Mächtigen gegeneinander ausspielt, der es versteht, aus seinen Feinden Freunde zu machen, während jene Freunde, die mit seiner Entwicklung nicht Schritt halten können, abfallen. Der letzte in dieser Reihe ist sein Blutsbruder Jamuga, dem er als einzigem Untreue und Auflehnung verzeiht, wobei offenbleibt, ob das ein Akt politischer Klugheit oder ein verkümmerter Rest von Romantik war. Taylor Caldwell zeichnet die Gestalt eines intelligenten Barbaren, der physisch und psychisch weit über seine Umgebung hinausragt, dessen Bild aber durch unmenschliche Härte und Grausamkeit getrübt ist. Seine immer grösser werdende Macht geht Hand in Hand mit dem Verlust an menschlicher Substanz, mit der er gerade bei jenen Menschen, die ihm am nächsten stehen, bei seiner Mutter und seinen Brüdern, auf wachsende Ablehnung stösst und die ihn schliesslich auch mit den Vertretern der göttlichen Ordnung, mit den Priestern, in Konflikt bringt. »Die Erde ist des Herrn«, schleudert ihm ein chinesischer Würdenträger ins Gesicht, aber der dämonische Wille des Khans kennt keine Grenzen. Taylor Caldwells Buch schliesst an jenem Wendepunkt seines Lebens, da er nach der Unterwerfung aller Mongolenstämme und der Erhebung zum Dschingis-Khan zur Eroberung der Erde aufbricht.