Das Hexenbrett

25 Jahre sind seit dem grausamen Doppelmord in Juvdal vergangen, bei dem Berit Borgersen und ihr Mann Rolf Anthonsen ums Leben kamen und seit dem ihre Tochter Siv im Koma liegt. 25 Jahre, in denen der Fall nicht aufgeklärt werden konnte, was nun das Interesse der Fernsehjournalistin Kirsten Bye weckt. Mit dem bekannten telepathischen Medium Victoria Underland begibt sie sich auf Spurensuche, und wird schnell fündig: Denn unter der Oberfläche des beschaulichen Dorfes Juvdal herrschen Lügen und Verrat …

Über den Autor
Tom Egeland, geboren 1959, ist in Norwegen berühmt für seine spannenden Thriller. Zwei Jahre vor dem Erscheinen von Dan Browns Sakrile schrieb Tom Egeland seinen internationalen Bestseller Frevel, der in viele Sprachen übersetzt wurde. Seit 1992 arbeitet Tom Egeland als Nachrichtenchef bei dem norwegischen Fernsehsender TV2 in Oslo. Momentan schreibt er an seinem neuen Roman. Weitere Bücher des Autors sind bei Goldmann in Vorbereitung. Leseprobe. Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Rechteinhaber. Alle Rechte vorbehalten. Woran erinnere ich mich am besten? An die Schmerzen? Die Trauer? Diese unsägliche Trauer? Ich sehe das blendende Licht der Operationslampen vor mir, meine von einem grünen Tuch verhüllten Knie. Ich erinnere mich an meinen Atem, an jeden Atemzug, jeden Herzschlag. Meine Finger krallten sich in das Tuch. Die Stunden vergingen nicht, endlose Minuten, Sekunden auf Sekunden, in denen die Zeit stillstand. Die Bilder in mir: das kleine Dummerchen, der lachende Knirps. Das leise Murmeln des Doktors beim Arbeiten. Der Gestank des Äthers. Nach der Abtreibung schob er mich in ein Nebenzimmer. Hier kannst du dich ausruhen, sagte er. Nach wenigen Minuten begann es zu bluten. Ich erinnere mich noch an die Panik des Arztes. Seine Augen über der Mundbinde. An all das erinnere ich mich. Auftakt
Juvdal, 31. Mai 1962

Das erste Mal spielten Berit und Nina an einem langen, trägen Donnerstagnachmittag Ende Mai 1962 mit dem Hexenbrett. Die Sonne hing apathisch und schwer an einem stahlblauen Himmel. Keine Wolke, kein Windhauch regte sich. Unten im Tal stand die Luft still. Auf dem vor Hitze flimmernden Asphalt vor der Kolonialwarenhandlung standen die Alten und beklagten sich darüber, dass die Mücken in diesem Jahr früh gekommen seien, schon im Mai, das müsse man sich mal vorstellen. Oben auf dem Borgersen-Hof hockte Berit mit an die Scheibe gelehnter Stirn auf dem breiten Fensterbrett. Sie war vierzehn Jahre alt und langweilte sich. Hinter dem Baumgrüppchen, das ihr die Aussicht verwehrte, erahnte sie die Stabkirche und die Hausdächer unten im Dorf: Rechtecke aus dampfenden Dachziegeln, Wellblech, Teerpappe. Nina sass auf dem Boden und spielte mit der jungen Katze. »Was wollen wir machen?«, seufzte sie. Durch das Laub sah die Sonne wie ein Heissluftballon aus, der sich in den Zweigen verfangen hatte. »Komm«, flüsterte Berit, »ich zeig dir was. «
Das Hexenbrett lag in einem zerris