Briefe an Sidonie Nádherný von Borutin - Band 1+2

Man glaubte ihn zu kennen: Karl Kraus, den »grossen Hasser«, der »alles herunterreisst« und dem der Beiname des Satirikers und Polemikers anhängt wie eine Berufsbezeichnung. Den Menschen Karl Kraus, der konsequent alles Persönliche vom Offentlichen trennte, die verletzbare, sensible Privatperson gilt es in diesen Briefen neu zu entdecken. Und die hier vorliegende, mit 1065 Schriftstücken vollständige Briefsammlung übertrifft sogar noch alle Erwartungen und Vermutungen, die von Kraus-Kennern an diese Korrespondenz geknüpft worden sind.

23 Jahre lang vergeht Kraus vor »Liebestodesangst« gegenüber einer Frau, der er sich in seinem »Vollkommenheitswahn« verschreibt, in herzzerreissendem Auf und Ab. Sidonie Nádherný ist die »Quelle seiner Lyrik«, die Adressatin seines sprachtheoretischen Werks. Ihr sind über fünfzig Gedichte zugeeignet, für sie werden Vorlesungen veranstaltet, viele Ausgaben der Fackel enthalten versteckte Widmungen an sie. Die Literatur der Zeit, die Beziehungen zu Oskar Kokoschka, Rainer Maria Rilke, Arnold Schönberg, Franz Werfel und Kurt Wolff, die Freundschaften mit Peter Altenberg, Ludwig von Ficker, Franz Grüner, den Brüdern Janowitz, Mechthilde Lichnowsky und Adolf Loos erscheinen in neuem Licht, können neu verstanden und neu bewertet werden.

Da die Gegenbriefe Sidonie Nádhernýs bis heute verschollen sind, kommt dem ausführlichen Anmerkungsteil eine besondere Bedeutung zu. Für ihn wurden ihre unveröffentlichten Tagebücher und Aufzeichnungen sowie der weitgehend unbekannte Nachlass von Karl Kraus herangezogen. Einige Gelegenheitsgedichte und Frühfassungen der> Worte in Versen <werden erstmals mitgeteilt. Etwa 100 bisher unbekannte Privataufnahmen von Karl Kraus, Sidonie Nádherný und den nahen Freunden des grossen Publizisten ergänzen den Kommentar.

»In diesen Briefen haben wir einen anderen Karl Kraus, einen unerwarteten, vielleicht einen neuen. Sie können uns mit dem Menschen Kraus, der soviel gehasst hat, bekannt machen und am Ende versöhnen. «