Brandeis

Rückblick auf 1968 und die Jahre darnach und auf die persönliche Krise eines Beteiligten, Betroffenen Brandeis, Universitätsprofessor in der politisch bewegten Zeit der sechziger Jahre, empfindet Sympathie für die revoltierenden Studenten.

Viele ihrer Ideen findet er richtig: «Das-nicht-bei-sich-selbst-Sein. Die Manipulation. Die Verkehrung aller ursprünglichen Beziehungen durch die Warenproduktion im Kapitalismus. » Aber mit seiner Haltung stösst Brandeis überall auf Ablehnung. Die Universitätskollegen betrachten ihn, der an Demonstrationen teilnimmt und in Kneipen mit den Studenten diskutiert, als Aussenseiter, und die Studenten sehen in ihm einen Opportunisten. Die Studentin Susanne zum Beispiel, mit der er sich während einer Demonstration anfreundet, ist viel radikaler als er.

Brandeis versteht das, aber er kann ihre Haltung nicht teilen. Für ihn ist jede Aussage, jede Handlung diskutierbar. Er will sich nicht in eine ideologische Position drängen lassen. «lch stelle mich damit als Unentschiedener dar, als Zögerer und Zauderer. » Aus seiner Vereinsamung flieht er, indem er eine Gastdozentur in New York annimmt. Aber seine Ehe zerbricht, und in den USA wird er politisch noch viel direkter herausgefordert. Er erlebt die Protestbewegungen gegen den Vietnamkrieg und die Diskriminierung der Schwarzen. Er bricht zusammen.

Ein Mensch, eingeklemmt zwischen «Establishment» und revoltierenden Studenten, versucht, seine persönliche, offene Haltung zu bewahren. Der politische Druck, dem er sich deshalb von allen Seiten her ausgesetzt fühlt, löst, neben vielen schwer zu bewältigenden persönlichen Konflikten, eine seelische Krise aus, deren Verlauf und Steigerung das eigentliche Thema dieses Romans ist. - Jaeggi hat sicher zum Teil sein eigenes Erleben verarbeitet; entsprechend unmittelbar, sinnlich, in der Form offen, locker hat er dieses wichtige Dokument einer politischen und persönlichen Krise geschrieben.